Einige Blutproben von Anwohnern um die 3M-Fabrik in Zwijndrecht weisen extrem hohe PFOS-Werte auf

In den Blutproben von 10 Anwohnern rund um die 3M-Fabrik in Zwijndrecht bei Antwerpen wurden enorm hohe PFOS-Werte festgestellt. Dies meldet die flämische Tageszeitung De Morgen auf Basis einer Untersuchung im Auftrag der Bürgerinitiative „Grondrecht“ (Grundrecht) am Mittwoch. Alle diese Blutproben liegen weit über der europäischen PFOS-Norm. Einige davon sollen weit über hundert Mal über dem Richtwert liegen. Toxikologen schütteln den Kopf.

Analysen von Blutproben auf Schadstoffe sind teuer und deshalb hat sich die Bürgerinitiative „Grondrecht“ auf 10 solcher Analysen beschränkt. 9 der Anwohner, die sich dazu Blut abnehmen ließen, leben in einem Umkreis von 1 km rund um das 3M-Werk von Zwijndrecht und eine weitere Person wohnt am gegenüberliegenden Scheldeufer.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA (European Food Safety Authority) hat den Grenzwert für PFOS auf 6,9 Mikrogramm pro Liter Blut festgelegt. Der niedrigste Wert, der bei dieser Analyse entdeckt wurde, liegt 3,5 Mal höher und der höchste Wert liegt nicht weniger als 168 Mal höher.

„So etwas haben wir noch nie gesehen“, sagte der Toxikologe Jacob De Boer von der Freien Universität Amsterdam dazu gegenüber De Morgen: „Wir haben solche Werte nur bei Fabrikarbeitern aus einer ähnlichen Fabrik bei Dordrecht gemessen, die dort jahrelang mit PFOS-haltigen Stoffen gearbeitet haben.“

„Aus diesen Resultaten wird deutlich, dass die Situation in Zwijndrecht und in Antwerpen sehr ernst ist“, sagte Eva Froonincks, die Sprecherin von „Grondrecht“ gegenüber De Morgen: „Infolgedessen müssen die Behörden zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um die Auswirkungen von PFOS-Vergiftungen zu monitoren und einzuschränken. 

Auch die Behörden haben Blutproben entnommen und zwar mehrere Hundert, doch die Resultate der Untersuchungen stehen noch aus. Erst kürzlich gab die belgische Agentur für Lebensmittelsicherheit FAVV bekannt, dass Produkte aus der Landwirtschaft um Zwijndrecht herum bedenkenlos zu gebrauchen seien.

Der Fall Zwijndrecht

Im Juni sind in Zwijndrecht bei Antwerpen bei den Bauarbeiten an der sogenannten „Oosterweel“-Verkehrsachse große Mengen an PFOS entdeckt worden. Dieses seit 2009 nur noch eingeschränkt zugelassene Produkt gilt als giftig und krebserregend. Offenbar stammt das in Zwijndrecht entdeckte PFOS aus dem nahegelegenen 3M-Werk (Foto), dass bis 2002 dieses chemische Produkt dort herstellte.

Spezifische Messungen ergaben kurz danach, dass an einigen Stellen in und um Zwijndrecht PFOS-Werte gemessen wurden, die 26 Mal höher liegen als zugelassen. Offenbar wussten die flämischen Landesbehörden und die Stadtverwaltung von Antwerpen seit 2017 von der PFOS-Umweltverschmutzung. 

Was ist PFOS?

Perfluoroctansulfon-Säure (Anion Perfluoroctansulfonat oder kurz PFOS) ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS). PFOS wurde im Handel als Kalium-, Lithium-, Ammonium-, Diethanolammonium- oder Tetraethylammonium-Salz angeboten. Das Produkt wurde hauptsächlich dazu verwendet, um Materialien wie Textilien, Teppiche und Papier fett-, öl- und wasserfest zu imprägnieren (3M „Scotchgard“).

Daneben wurde es bei der Verchromung, für die Imprägnierung von Kochgeräten (z.B. Pfannen), in der Analogfotografie, in älteren Feuerlöschschäumen (AFFF), in Kosmetikprodukten und in Hydraulikflüssigkeiten für die Luft- und Raumfahrt verwendet.

Das EU-Parlament hat im Oktober 2006 beschlossen, die Verwendung von PFOS auf wenige Einsatzbereiche einzuschränken. Im Stockholmer Übereinkommen wurde 2009 entschieden, PFOS in die Konvention für eingeschränkte Stoffe aufzunehmen. Das größte Problem mit diesem Produkt ist die Tatsache, dass es sich nicht auf natürliche Weise abbaut. Das bedeutet, dass sich mehr und mehr PFOS in der Umwelt und in den Wasserläufen befindet.

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