Versteigerung: Umschlagentwurf für ein Tim & Struppi-Album von 1936 erzielt Rekordbetrag

Bei einer Versteigerung in Paris ist für den Entwurf eines Umschlags für das Tim & Struppi-Abenteuer „Der Blaue Lotus“ aus dem Jahr 1936 ein Rekordbetrag von 3,175 Millionen Euro erzielt worden. Zeichner Hergé hatte damals in Gouache, mit ostindischer Tinte und mit Aquarellfarben gearbeitet. Doch dieser Entwurf war für den Druck zu aufwändig und wurde letztendlich nicht für das Album verwendet. Vor der Versteigerung keimte eine Diskussion darüber auf, wer denn eigentlich der rechtmäßige Besitzer dieser einmaligen Zeichnung ist.

Diese Woche bekam ein ungenannter Bieter im Auktionshaus Artcurial in Paris den Zuschlag für den Umschlagentwurf für „Der Blaue Lotus“ aus der Feder von Tim & Struppi-Zeichner Hergé, der wohl berühmteste belgische Comiczeichner, für 3,175 Millionen Euro. Noch nie wurde für eine Comiczeichnung aus Europa eine so hohe Summe gezahlt, wie für dieses Werk.

Als Hergé, mit bürgerlichem Namen Georges Remi (1907-1983), den Entwurf 1936 fertigte, war die darin verwendete Farbenvielfalt so umfangreich, dass der Druck technisch seinerzeit zu teuer gewesen wäre. So verzichtete der Verlag Casterman darauf, ihn zu verwenden und wählte einen farblich einfacher umzusetzenden Entwurf von Hergé, den dieser später zeichnete (Foto unten).

(Lesen Sie bitte unter dem Foto weiter)

Wer ist der rechtmäßige Besitzer der jetzt versteigerten Zeichnung?

Vor der Versteigerung des historischen Originalentwurfs ist eine Diskussion darüber entbrannt, wer den eigentlich der rechtmäßige Besitzer des Werks ist. Dazu gibt es zwei Geschichten. Nach der einen hat Hergé diese Zeichnung seinerzeit Jean-Paul Caterman (1929-2009) geschenkt, dem Sohn von Herausgeber Louis Casterman (1893-1981). Der faltete das Blatt sechsmal, um es sicher zu bewahren. Im Laufe der Jahre ist diese Zeichnung einige Male auch ausgestellt worden aber Jean-Paul Casterman hat sie nie verkauft. 2009 aber ist er verstorben.

Diese Version aber zieht Nick Rodwell in Zweifel. Rodwell ist der Ehemann von Hergé-Witwe Fanny Vlamynck (Hergés zweite Ehefrau) und er ist der Geschäftsführer der Gesellschaft Moulinsart, die die weltweiten Rechte am Werk von Hergé verwaltet, wozu so ziemlich alles gehört, was zu den Tim & Struppi-Alben gehört. Laut Rodwell hat Hergé das Blatt selbst gefaltet und seinerzeit zu Casterman-Redakteur Charles Lesne (Louis Castermans rechte Hand) für die Beurteilung geschickt. Er soll an die Zeichnung mittels Heftklammern ein Briefchen angesteckt haben. Und in der Tat weisen die Zeichnung und das Schreiben zwei kleine Löcher auf, die auf Heftklammern zurückzuführen sein könnten.

Nicht unterzeichnet

Nach Ansicht von Fachleuten unterzeichnete Hergé stets Zeichnungen, wenn er sie verschenkte und das ist hier nicht der Fall. Nick Rodwell will dem Verlag Casterman nicht unterstellen, dass die Zeichnung hier gestohlen wurde. Man habe es wohl versäumt, diese dem Zeichner zurückzuschicken. Er ruft den Verlag Casterman denn auch dazu auf, die Zeichnung dem „rechtmäßigen Besitzer“, Moulinsart, zurückzugeben.

Rodwell teilte vor der Versteigerung in Paris in dieser Woche dazu mit, dass die Hergé-Zeichnung belgisches Kulturgut sei: „Der blaue Lotus gehört ins Hergé-Museum. Das ist belgisches Kulturerbe, dass droht, nach Frankreich, Japan oder in die USA zu verschwinden.“ Das Hergé-Museum befindet sich in der Universitätsstadt Louvain-la-Neuve in Wallonisch-Brabant.

(Lesen Sie bitte unter dem Foto weiter)

Die Ansicht eines Sammlers und Fachmanns

Peter Janda betreibt in Gent den Comicladen „Adhemar“ und ist selbst Sammler von Originalzeichnungen, unter anderem von Hergé. Janda sagte gegenüber dem VRT-Sender Radio 1, dass sich Rodwell und Moulinsart in dieser Frage irren: „1981 hat Jean-Paul Castermann diese Zeichnung selbst herausgebracht und zwar in 100 Exemplaren, die Hergé auch unterzeichnet hat. Die Zeichnung ist 1988 für eine Ausstellung in Elsene (ein Stadtteil von Brüssel (Red.)) und für eine Ausstellung im Hergé-Museum ausgeliehen worden. Ich begreife also nicht, warum man daraus jetzt ein Problem macht.“

„In den 70er und 80er Jahren hatten solche Originalzeichnungen nur wenig Wert. Sogar eine Hergé-Zeichnung war damals noch nicht so teuer, wie jetzt. Hergé hat übrigens niemals Zeichnungen verkauft. Er hat immer alles verschenkt. An seinen Herausgeber, an Freunde und Bekannte, an seine Kollegen. Dann müssen sie (bei Moulinsart (Red.) allen Probleme machen, die solche Zeichnungen haben.“ Viele Zeichner haben damals Originale einfach nur verschenkt, weil sie keinen Wert hatten, so Comicexperte Janda: „Also jetzt, nach über 40 Jahren zu sagen, ‚Wir wollen das jetzt zurückhaben!‘, geht nicht mehr.“ 

Meist gelesen auf VRT Nachrichten